Sherry und Flamenco
"Je mehr Sherry man trinkt, umso besser der Flamenco" lautet ein Sprichwort. Ich vermute aus Zuschauersicht. Und ich vermute, Sherry mit Flamenco in Zusammenhang zu bringen, war die Idee von Sandeman.
Warum Sherry Sherry heißt
Die Bodegas in Jerez bieten alle Führungen an, zum Teil mit Flamenco - Espectáculo und Menu. Das erschien uns mit 80.- Euro pro Person aber zu teuer. Sherry heißt Sherry, weil die Engländer Jerez nicht aussprechen konnten, und Jerez eigentlich von Xerez kommt. Xerez wurde die Stadt von den Almohaden, (ein Berbervolk die dort einige Jahrhunderte gelebt hat) genannt. Auf den Sherry-Flaschen und auf den Zertifikaten der Sherry-Meister steht Xerez - Jerez - Sherry. Wir gehen also zu Sandeman, weil es dort die günstigsten Führungen gibt. Ob Sandeman nun auch "Jerez" nicht aussprechen konnte, ist nicht bekannt, weil er Schotte und kein Engländer war. Genauso wie Katalanisch, ist Schottisch eine eigene Sprache. In Katalonien, auf den Balearen, und in Valencia ist Katalanisch neben Spanisch sogar regionale Amtssprache. Und Andorra hat nur Katalanisch als Amtssprache. Die Katalanen können zwar Spanisch, aber wer Spanisch kann, kann noch lange kein Katalanisch. Und wer Englisch kann, versteht deshalb nicht unbedingt Schottisch. Ich verstehe weder Schottisch, noch Katalanisch, und in Andalusien auch kaum Spanisch, darum bin ich froh, dass es die Führungen auch auf Deutsch gibt. Ebenso auf Französisch, Englisch und Spanisch.
Sherry-Führungen auch für Kinder
Die Führungen sind einmal pro Stunde und kosten 7,50 pro Person. Manche finden ja die Besichtigung einer Bodega als besonders reizvolles Ferienprogramm für Kinder, vielleicht verwechseln sie Sandeman mit Sandmännchen. Jedenfalls scheinen auch Kinder Sherry-Führungen zu machen, denn Kinder von 3 bis 12 Jahren bezahlen 1.- Euro Eintritt. Vielleicht wird es auch als religiöse Zeremonie betrachtet, sowas wie Wallfahrt, wohin jeder einmal pilgern sollte, schließlich wird Sherry in der“ Kathedrale“ hergestellt und die Sherry-Probe findet in der „Sakristei“ statt.
Die deutsche Sherry- Führung findet um 10.30, um 12.30 und um 14.30 Uhr statt. Aber mal ehrlich- wer besäuft sich schon um 10.30 mit Sherry? O.k. wir wählen also 12.30. Mittagszeit ist nicht mehr ganz so pennerhaft. Wir warten im Kassenbereich auf den Beginn. Dabei kann man schon autodidaktisch aufbereitet die Gewinnung des Sherrys auf anschaulichen Plakatwänden sehen und die wirklich hübsche Sandeman-Werbung aus dem letzten Jahrhundert.
Die Tänzerin und die Flasche - Sandeman Werbung
Gleich neben der Kasse hängt ein Werbeplakat, auf dem tanzt eine Flamencotänzerin mit Sherryflasche in der Hand. Ich hab das ja noch nie probiert, weder mit Sherryflasche in der Hand, noch mit Sherry im Blut, aber vielleicht ist ja was an dem Sprichwort dran. Wahrscheinlich hat Sandeman das Sprichwort erfunden, passend zu diesem Plakat.
Ich verstehe gar nicht, wieso eigentlich ich mich für die Werbeplakate mehr interessiere, als mein Mann. Der ist schließlich Werber, hat aber nur Interesse für die Sherry-Fässer. "Ich hab schließlich Urlaub" sagt er und klopft die Fässer ab. Der berühmte Don auf dem Signet auf der Flasche, ist in einer Mischung aus dem jerezianischen Hut und dem portugiesischen Umhang gekleidet, weil Sandeman in Portugal und Jerez Weinkellereien hatte. (Ich erhalte sofort einen Input über Signet und Logo von meinem Mann. Das muss man schon unterscheiden, sagt der Werber, der ja eigentlich Urlaub macht...) Übrigens muss man auch unterscheiden zwischen Sherry und Portwein. Sherry wird in Jerez hergestellt, in Portugal der Portwein. Sandeman war der erste, der Sherry exportiert hat. Und zwar in diesen riesen Fässern. Es gibt tatsächlich noch einen Herrn Sandeman, der hat aber das gesamte Imperium an eine Spirituosenfirma verkauft. Er kommt sogar ein bis zwei Mal im Jahr vorbei. Nur so, weil die eben noch seinen Namen benutzen.
Saubere Toiletten- staubige Sherry Fässer
Sehr sehenswert sind bei Sandeman die Toiletten. Die sind derart sauber, riechen frisch und haben als eine der wenigen Toiletten in Jerez alles was man braucht. Abschließbare Türen, Licht, Toilettenbrillen, Toilettenpapier, Mülleimer, Seife und Trockentücher, fließend Wasser. Und es sind mehr als vier Toilettenkabinen zur Wahl! Ich bin begeistert! Nur Fenster gibt es in Jerez in keiner einzigen Toilette. Ich habe ja in jeder Bar die Toiletten besucht. Zwar sind überall Behinderten WC, aber irgendwas fehlt immer.Meist Toilettenpapier, oder Seife. Wir sind die einzigen für die deutsche Führung und ich vereinbare mit dem Guide, dass er alles auf Spanisch sagen soll und ich sage ihm dann auf Deutsch was ich verstanden habe. Das machen wir die ersten drei Sherry- Fässer lang und dann erzählt er nur noch auf Deutsch. Ich vermute, meine Übersetzung ist ihm zu anstrengend, weil ich sowieso nur die Hälfte richtig verstanden habe. Aber immerhin die Hälfte! Er erklärt uns das Sherry- Verfahren und wir sind schon vom Geruch in der Kathedrale alleine benebelt und finden alles schon ein wenig witzig.
Kathedrale ist die Produktionsstätte- Bodega die Lagerhalle
Kathedrale heißt es deshalb, weil die Produktionsstätten wie Kathedralen gebaut sind, damit die Temperatur konstant bei ca. 18 Grad bleibt. Die untersten Fässer sind die Solera- Reihe. Das erinnert mich an die Soleá im Flamenco. Solera bedeutet die, die auf dem Boden liegt. Und ein wenig muss ich schmunzeln, vielleicht heißt die Soleá ja nicht so wegen der Einsamkeit (Soledad) und auch nicht von Feierlichkeit (Solemne) sondern weil die Tänzerin betrunken am Boden liegt.
Die Umschütterei und der Reifungsprozess dauern Jahrzehnte. Fino ist der hellste und „dünnste“ Sherry, mit dem wenigsten Alkoholgehalt. Den kann man sich reinschütten und man merkt es nicht dass man eben doch betrunken wird. „Fino ist wie Affe mit Pistole“ sagt unser Freund Alfonso aus Sevilla immer. Den schüttet man sich rein, ist dicht und merkt es nicht. Dulce ist ein süßer likörartiger Sherry. Absichtlich werden bei der Ernte Trauben auf den Boden geschmissen, damit sie trocknen und Rosinen werden. Dann werden sie aufgesammelt und es wird den Rosinen Traubensaft zugesetzt und diese Flüssigkeit setzt man dann dem Sherry zu. Oder so ähnlich. Der schwerste ist der Oloroso, er ist dunkel und hat eine lange Reifungszeit. Bis zu 80 Jahren, oder länger. Also genau wissen sie nicht, wie lange der Sherry schon in den untersten Fässern vor sich hin gärt. Und ich stelle mir vor, wie Generationen in Rente gehen und nicht miterleben, dass das Zeug das sie zusammenschütten auch in Flaschen abgefüllt und verkauft wird. Der Sherry ist jedenfalls älter als ich und mein Mann, und das tröstet uns ungemein und lässt uns wieder richtig jugendlich vorkommen.
Ich frage den jungen Guide aus, während wir in die Bodega über den Hof gehen. In der Bodega werden die Fässer einfach gelagert. Jahrzehnte lang. Also solange, wie man beispielsweise braucht, bis man ein Kind durch den Kindergarten, Schule, Ausbildung gebracht hat, und es dann mit den Enkeln an der Hand in den Seniorenstift kommt, um die Oma mal wieder abzufüllen mit Dulce…
Biergärten für Sherry - Partys
Er erzählt, dass er eigentlich Pilot ist. Aber weil es für Piloten wenig Jobs gibt, hat er Tourismus studiert. Auch in Deutschland. Das ist witzig, er war nämlich an derselben FH wie ich, nur eben einen Fino lang später. Und mit einer Pilotenausbildung, mit Englisch, Deutsch und Spanisch und einem Tourismusstudium macht er nun Führungen in einer Bodega. Besser als nichts, sagt er. Das Schnapstamperl am langen Stöckchen , dieser Sherry Ausgießer den man bei den Sherry- Experten immer sieht, so erzählt er uns, wird benötigt, damit bei der Probe des Sherrys durch das Schütten genügend Sauerstoff dazu kommt. Was das bewirkt habe ich allerdings vergessen. Ich war viel zu sehr von dem hübschen Biergarten für Sherry entzückt und habe nicht mehr richtig zugehört. Überall Blumen, bunte Stühle, ein kühles Eckchen passend für Flamenco und Sherry. Tatsächlich kann man das auch mieten, für Hochzeiten beispielsweise. Zu blöd, dass wir schon verheiratet sind.
Wir kommen um ca. 13.00 Uhr zur Sherry- Verköstigung. Es steht für uns eine Schüssel Chips und eine Schale Oliven bereit. Mein Mann frühstückt immer einige Tostadascheiben. Der Kellner hinter der Theke im Hotel hat auch immer die größten Scheiben für ihn reserviert. Er sagt lachend, mein Mann „come mucho“. Ich sage ihm, ja er ist auch ein „Torro“. Mein Mann fühlt sich im Hotel schon so zuhause, dass er sogar beginnt den Frühstückstisch abzuräumen. „Tienes un bueno hombre“ sagt der Kellner zu mir. Das finde ich auch! Ich jedenfalls esse nicht so viele Tostadas, weshalb ich befürchte nun auch schnell einen sitzen zu haben. Wir stopfen die Chips in uns rein und der Guide schüttet eine großzügige Portion Fino in unsere Gläser.
„Fino ist wie Affe mit Pistole“
Er meint, davon könnte man ja viel trinken, er hätte ja am wenigsten Alkohol. Am Tisch neben uns ist die englische Führung, wobei es sich dabei um ein französisches Paar und ein englisches Paar handelt. Und ich sage zu meinem Mann: “Wetten, die Engländer haben 16-. Euro bezahlt!“ „Wieso, der Eintritt kostet doch 7,50.“ „Ich wollte nur testen, ob Du noch rechnen kannst.“ „Ja, kann ich, zwei Mal 7,50 ist 15. –Euro, nicht 16.- Für ´ne Sozialpädagogin schon gar nicht so schlecht.“ „Eben, und weil ich Sozialpädagogin bin sehe ich, dass sie 16 Euro gezahlt haben, weil sie ein Kind mit vier Jahren haben, das einen Euro kostet. Du Betriebswirt.“ Und ich haue lachend auf den Tisch, weil ich diesen Joke ungemein witzig finde. „Aber, vielleicht haben sie ja noch mehr bezahlt, weil sie Engländer sind und vielleicht übers Hotel gebucht haben.“ Meint mein Mann. Auch sehr komisch und wir lachen noch lauter. Der Guide kommt mit dem Dulce. Er schenkt das Glas etwas voller, weil er findet, dass Damen diesen süßen Geschmack gerne mögen. Vom Süßen darf’s doch immer etwas mehr sein. Jaja, finde ich. Und süffle das süße Getränk. Ich mache Bilder von den Gläsern und den Toilettentüren. Die sehen äußerst hübsch aus. Überhaupt habe ich einen bemerkenswerten Ausblick. Während mein Mann Blick auf die Fässer hat, sehe ich die Bühne für die Flamenco- Show und die geschmückte Ausstellungshalle. Außerdem sehen wir beide die Paare am Nebentisch. Das Kind friert in dieser kühlen Kathedrale in seinem weißen Sommerkleidchen und hüllt sich in einen dünnen Schal und legt sich in den Buggy. Die Erwachsenen machen von sich gegenseitig Fotos und nippen lustlos am Sherry rum und starren auf die Chips Schale. Das erinnert mich an den Film von dem Deutschen der eine Italienerin heiraten will und die Muscheln nicht aufisst. Ich schaue meinen Mann an: „Marrriaaa, ihm smeckts nischt!“ Ich lache wieder lauthals, weil ich auch diesen Witz zum Brüllen komisch finde. Die englische Führung guckt pikiert rüber. Mein Mann steht auf und inspiziert die Bühne näher. Dabei klopft er den Bühnenboden ab und schaut sich die Lautsprecher an. Als er wieder sitzt, stehe ich auf und will mir auch die Bühne ansehen. Beim Aufstehen remple ich an den Tisch und die Gläser scheppern. Aber es war ja nur unser Tisch und nicht der der englischen Führung. Auch das finden wir saukomisch und ich biege mich fast vor Lachen, nur weil die Gläser klirren.
Ein Viertelchen Oloroso
Der Guide kommt und schüttet den Oloroso ein. Er meint, das letzte Schlückchen in der Flasche zu lassen sei nutzlose Verschwendung und bringt ein Weinglas, in das er mir den Rest der ganzen Olorosoflasche schüttet. Ungefähr ein Schoppen Sherry. Ich frage ihn, ob ich das trinken muss, mein Mann meint, es wäre schon unhöflich nun das Geschenk des Hauses zu verschmähen. Ich weiß nicht, wie lange ich an diesem Oloroso herumgetrunken habe. Unser Guide und der Guide der englischen Führung machen die Lichter hinter der Theke aus und gehen irgendwann. Die Franzosen und die Engländer am Nebentisch sind auch schon weg. Ich remple noch gegen ein Sherry- Fass und gegen den Tisch bis ich auf beiden Beinen stehe und finde das äußerst witzig, weil das nun ja keinen mehr stört. „Auweh zwick, i glab i hob an Schwips“ zitiere ich meine Großmutter, wenn sie zwei Eierlikör getrunken hatte. Überhaupt finde ich, dass doch das Leben voller Witze steckt, und wundere mich, warum ich schon so lange nicht mehr so viel gelacht habe. Ich höre mein Lachen durch die Kathedrale hallen, und finde es sehr sinnvoll ein Echo zu haben. Damit verdoppelt sich doch der Spaß. Außerdem finde ich, sollte man in den echten Kathedralen auch mehr lachen. Sie sollten statt Messwein Sherry trinken, dann wird so eine Messe viel lustiger, finde ich. Die Dame von der Kasse schaut sich nach mir um. Um zum Ausgang zu gelangen, muss man durch den Shop. Dort kann man Sherry in Geschenkpaketen, T- Shirts, Plakate und hübsche versilberte Flaschenstöpsel kaufen. Ich hätte schon einiges mitgenommen, kann aber keinen Einkaufskorb finden, was meinen Mann beruhigt. Wir kaufen also nichts. Als wir aus der kühlen, schummrigen Bodega rausgehen, prallen mir 38 Grad Hitze schonungslos auf den Kopf. Der Pförtner schließt gerade die Eingangstore. Ich rette mich sofort unter einen Orangenbaum, und gehe nur noch von Baum zu Baum oder auf der Straßenseite im Häuserschatten. Mein unternehmungslustiger Mann fragt, was wir nun noch machen wollen. Ich lache über den Witz, denn alle machen Siesta, man kann nichts unternehmen, nur die besoffenen Touristen sind in der Mittagszeit hier unterwegs. Und ich vermute, Siesta gibt es nur, damit man sich den Rausch nach einer Sherry- Probe ausschlafen kann.