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Kastagnetten im Flamenco
Die kleinen hölzernen Klappern werden immer mit dem Flamenco in Verbindung gebracht - für den Flamenco als „typisch“ gesehen. Doch waren sie eigentlich nicht direkt im Flamenco verwurzelt.
Vielmehr kommt das Kastagnetten-Spiel aus dem Volkstanz. Die einzige Wahrheit über die Kastagnetten im Flamenco wird wohl nirgends zu finden sein. Dafür haben die Kastagnetten viele Spuren im Tanzhinterlassen, wovon man einigen folgen kann:
Zuerst war der Tanz
Der Tanz war vor der Musik da, weil die Bewegung vor der Musik und der Sprache da war. Die Tänzerin erzeugte bereits durch die Bewegung Geräusche. Mit dem Körper wurde Rhythmus erzeugt, der dann durch Gegenstände, die man am Körper befestigt hat, verstärkt wurde, z.B. mit Knöchelchen, später Glöckchen an den Füßen oder noch später Münzen. Im Indischen Tanz, wie in alten Tempeltänzen waren die Glöckchen an den Füßen üblich. Die Tänzerinnen in den Tempeln verwendeten auch Messingplättchen an den Fingern, um Rhythmus zu spielen.
Formen der Kastagnetten
Die indische Roma Kathaka benutze „Klavos“ zwei Paar Holzstöckchen, die später eine runde Form erhielten und mit einem Band verbunden wurden. Alte Illustrationen zeigen persische und türkische Tänzerinnen mit Holzklappern, die diesen „Klavos“ sehr ähnlich sind. Die Kastagnetten waren auch den Ägyptern und den Griechen schon bekannt, und in Neapel und Sizilien spielt man ebenfalls die Kastagnetten zum Tanz. Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. sind diese klappernden Hölzchen auch in Spanien belegt. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit Kastanien erhielten sie dort den Namen Castanuelas. Die Form der Kastagnetten erinnert stark an Löffel ohne Stiel. Es liegt nahe, dass Kastagnetten aus Löffel gemacht wurden, da zum Musizieren einfachste Dinge und Alltagsgegenstände beliebt waren. Das Spielen von Löffeln, das sogenannte „Löffelschlagen“ ist auch in der Steirischen und Bayerischen Musik bekannt. Im türkischen und griechischen Tanz gibt es einen Löffeltanz ("Kasik Oyunu" ,türk. „Chouliere“ griech.), der beispielsweise zur Hochzeit getanzt wird, und bei dem mit den Löffeln der Rhythmus gespielt wird. (Siehe auch zum Löffeltanz). In Andalusien werden sie auch Pallilos (Stöckchen) genannt, wenn sie an Stielen gespielt werden.
Unanständige Bewegungen
Im 16. Jahrhundert wurde bereits in Barcelona der „Zarabanda“ getanzt, der mit Kastagnetten begleitet wurde. Der damalige König Felipe II. verbot die Bewegungen weil sie ihm zu unanständig waren. Die Musik überquerte den Antlantik und kehrte als „Guajira“ (eine Unterform der Alegrías) zurück, nur noch auf anständige Bewegungen reduziert. Aus den Zarabanden und Guajiras entstanden die Zarzuelas im 19. und 20. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert wurden die Seguidillas, die Mutter der Sevillanas, getanzt, die ebenfalls mit Kastagnetten begleitet wurden. Anfangs wurden die Kastagnetten am Mittelfinger gespielt, und wurden durch die Armbewegungen zum Klingen gebracht. Am Daumen gespielt wurden sie Ende des 18. Jahrhunderts, was das Rollen der Finger, das „Carretilla“, erlaubt. In Spanien gab es zwei verschiedene Schulen des Tanzes, die „Escuela Bolera“ und die „Fandango“-Schulen. Die Bolero-Schulen hatten starken Einfluss vom französischen Ballett, mit Schläppchen, Sprüngen und Strech- Bewegungen. In den Fandangoschulen wurde mit Absatzschuhen getanzt und Kastagnetten verwendet. (vgl. Emma Maleras, Kastagnetten, Rhythmische Schulung, 6. Buch, Editorial de Musica Boileau; S.5-6)
Kastagnetten - die hohe Kunst im Flamenco
Nachdem die Gitanos (span.Roma) vieles aus dem Volkstanz adaptiert hatten, haben auch sie die Kastagnetten verwendet, als sie sich in den Wohnhöhlen trafen, um mit Singen, Tanzen und Kastagnetten zu „lärmen“.
Allerdings wurden die Kastagnetten von den Gitanod in der Flamenco-Welt auch verschmäht, weil sie als „falsches Fingerschnalzen“ bezeichnet werden. Durch die Tänzerin Antonia Mercė, genannt „La Argentina“ (1890 – 1936) wurde ein entscheidender Schritt im Kastagnetten-Spiel im Flamenco getan. Sie arbeitete die dynamischen Möglichkeiten der Kastagnetten heraus. Von dem Zeitpunkt an wurden sie als Musikinstrumente bezeichnet. Das konzertante Spiel hat seitdem zugenommen. Das Tanzen mit Kastagnetten-Spiel ist Musizieren und Tanzen zugleich und kann als hohe Kunst im Flamenco betrachtet werden.
Thalia mit Kastagnetten
Die Musen verkörpern in der Mythologie die Schutzgöttinnen der Künste und Wissenschaften. Im alten Alexandria galt das Museum als Heiligtum der Musen und kam in der alten Welt einer Universität nahe. Thalia, die Blühende, war die anführende Schutzpatronin für die Musik und die Unterhaltung. Ursprünglich war die komische Maske ihr Attribut. In der späteren Antike wurden den Musen Musikinstrumente zugeordnet.
Im Potsdamer "Park von Sanssouci" kann man eine besonders erstaunliche Darstellung der Thalia mit ihrem Instrument sehen: Denn hier steht Thalia mit Kastagnetten, Krone, Erdkugel und Messinstrumenten am Musenrondell!
Somit wurden die Kastagnetten vom „klappernden Holzklötzchen“ zum „göttlichen Klanginstrument“ erhoben.
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